Montag, 28. Mai 2012

Immanuel Wallerstein im Interview: "Das Chaos ist ein Zeichen für den Fall des Systems"

Ich sage, daß der Kapitalismus sich in der Krise befindet, weil er den Kapitalisten nicht mehr die unendliche Kapitalakkumulation gewährleisten kann. Das rührt daher, daß sie in Schwierigkeiten mit der »reellen Rentabilität« geraten sind. Diese Schwierigkeiten hatten sie in den ersten 500 Jahren seines Bestehens nicht. Sie waren immer in der Lage, zeitweilige Krisen dank einer Reihe von Mechanismen zu überwinden, die sie nutzten, um den ganzen Prozeß erneut in Bewegung zu setzen. Diese Mechanismen sind an ihre Grenzen gestoßen und tatsächlich nicht mehr verfügbar. Das führt dazu, daß der Kapitalist vor einem gravierenden Problem steht, das er nicht lösen kann. Er ist gezwungen, Wege zu finden, um Gewinne jenseits der warenproduzierenden Sphäre zu realisieren, durch die Spekulation. Seit einiger Zeit findet genau das statt. Die Spekulation ist ein Mechanismus des Geldverdienens, der immer dann in der Geschichte der kapitalistischen Weltwirtschaft auftauchte, wenn diese in der Krise war. Das Verdienen an der Produktion war längerfristig die einzige Art, hartes Geld zu erwirtschaften. Das wird immer schwieriger – wenn es nicht überhaupt schon Geschichte ist.

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