Mittwoch, 21. Januar 2015

Joachim Güntner: Ohne Verantwortung schreibt es sich am besten. Michel Houllebecq las in Köln aus seinem Roman "Unterwerfung" - es war sein einziger öffentlicher Auftritt zur Zeit

"'Unterwerfung' ist ein Werk voller Spott auf mittelmässige Literaturwissenschafter und Universitäten. Nicht islamophob, sondern 'sorbonnophob' sei es, meinte Minkmar. Houllebecq fand, die Politik komme darin noch viel schlechter weg. Die Parteien ständen für nichts mehr, die Menschen seien so politisch 'wie ein Handtuch', politische Diskussionen sehe er sich zwar gern an, aber ihre Unterhaltsamkeit beruhe bloss auf Spektakel. Dass die Furcht vor dem wachsenden Antisemitismus in Frankreich Rufe nach Auswanderung oder im Gegenteil das Verlangen nach Dableiben auf jeden Fall provoziert hat, nannte er gleichermassen 'übertrieben'. Ein Dazwischen sei auch lebbar, man müsse keine extremen Alternativen wählen. Den gegen ihn kursierenden Vorwurf, er habe Marie Le Pen und dem Front national mit der Vision einer islamischen Republik auf französischem Boden eine Steilvorlage geliefert oder gar den Rechtsextremismus befeuert, wies er ab. Noch nie habe ein Leser wegen eines Romans seine Weltanschauung geändert. Ob's stimmt?"

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 21. Januar 2015 (Nr. 16, 236. Jg.), S. 21

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