Samstag, 14. Februar 2015

Christoph Türcke: Hohn und Spott - und ihre Grenzen. Über Blasphemie.

"Sind es aufklärungsfeindliche Gesetze? Nicht nur. Aufklärung kann zwar ohne Hohn und Spott nicht ernst sein. Aber Hohn und Spott waren stets nur da aufklärerisch, wo sie aus der Unterdrückung hervorbrachen, wo Schwache sie als Waffe gegen Mächtige führten, die über weniger Witz, aber über die stärkeren Bataillone verfügten. Als Triumphgeschrei von Siegern hingegen sind sie widerlich. Als die Nazis das Judentum verhöhnten, fuhr ein dummes, rassistisches Ressentiment gegen eine Religion daher, von deren geistigen Errungenschaften alle Aufklärung bis heute zehrt. Wenn Europäer sich über den Ahnenkult von Amazonasindianern lustig machen, feiern sie den Sieg des Kolonialismus noch einmal auf geistlose Weise nach. Das ist Besserwisserei von Privilegierten, nicht Aufklärung. Echte Aufklärung bedenkt immer auch ihre Grenzen. Deren grosser Prüfstein ist derzeit der Islam. Zuerst Ayatollah Khomeinys Todesurteil gegen Salman Rushdie wegen Beleidigung des Islams. Dann die Mohammed-Karikaturen einer dänischen Zeitung und die Empörung darüber in der islamischen Welt. Schliesslich der vorläufige Gipfel: Muslime drangen in die Redaktion des Satiremagazins 'Charlie Hebdo' ein und schossen die Mehrzahl der Redakteure nieder, um 'den Propheten zu rächen'. Ohne einen Blick auf die politische Grosswetterlage zwischen Ost und West versteht man das alles nicht."

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/hohn-und-spott--und-ihre-grenzen-1.18482637

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